Marie-Sophie Maasbrug / Lobkowicz
Drucken

Ich werde da sein wenn du stirbst

Es handelt sich um eine wahre Liebesgeschichte im Wien unserer Tage. Eine junge Frau und ein junger Mann lernen sich kennen. Sie studiert. Er hat Krebs. Trotzdem sucht sie seine Nähe und langsam, aber sicher entsteht eine Liebesbeziehung zwischen den beiden, die tiefer geht als sie es sich je hätten ausmalen können.

Buchcover zu Ich werde da sein wenn du stirbst

Doch beide haben anfangs Angst, sich ihre Gefühle einzugestehen. Er weiß, dass er sterben wird, und möchte die junge Frau nicht an eine Liebe binden, die ohne Zukunft ist. Doch ihr wird klar: Ihre Liebe ist stärker; sie muss gelebt werden, unabhängig davon, wohin sie führen und was ihr Preis sein wird.

Das Erinnerungsbuch von Marie-Sophie Lobkowicz, die ihren geliebten Freund bis zuletzt begleitet und ihn schließlich in die Hände Gottes gibt, ist eine eindrucksvolle Parabel von der Kraft der Liebe.

Leseprobe: Prolog

Das Fenster war halb geöffnet. Ein warmer Luftzug strich zu der Öffnung herein. Draußen hörte man ein Auto langsam die Straße hinunterfahren; wahrscheinlich auf der Suche nach einem Parkplatz. Franzi saß auf dem roten Sofa neben dem Bett und blätterte versunken in einem Magazin. Es war ganz still im Raum; bis auf das Rascheln, welches die Seiten beim umschlagen verursachten. Ich saß in diesem mir so vertrauten Zimmer; neben diesem vertrauten Menschen.

Ich hielt seine Hand und erkannte, dass er sterben würde. Unsere Zeit war um. Im Grunde hatte ich es schon lange gewusst. In diesem Moment jedoch traf mich die Erkenntnis schmerzhaft, wie ein plötzlicher Schlag in die Magengrube. Mein Innerstes krümmte sich zusammen. Das konnte doch nicht sein, dass er mir für immer entglitt, einfach so. Festhalten! Ich würde ihn einfach festhalten. Ihn nicht gehen lassen.

Das Rascheln der Zeitungsblätter holte mich in die Realität zurück. Nein, er würde sterben. Jetzt gleich. Oder in einer Stunde. Oder in einem Tag. Aber noch war er bei mir. Etwas hielt ihn zurück. Etwas hindere ihn daran einfach auszuatmen und zu sterben. Dieses Etwas war ich.

Mein Verstand wusste es.

Mein Herz wollte es nicht wissen.

Ich spürte seine kühle Hand in meiner. Klamm fühlte sie sich an. Klamm und fremd. Gleichzeitig so sehr vertraut. Ich kannte diese Hand so gut; die langen Finger, die knochigen Gelenke, die kleine Erhebung über dem Daumen. Diese Hand lag nun kraftlos in meiner; kein Gegendruck war zu spüren. Ich betrachtete sein bleiches Gesicht. Die Nase stach spitz hervor und die Wangen waren eingefallen. Sein Atem ging schwer; seine Brust hob und senkte sich, als läge eine drückende Last darauf. Die Augen waren geschlossen. Dunkle Ringe lagen darunter. Ich ahnte, dass diese Augen mich nie wieder anblicken würden. Dass ich nie wieder die Lachfältchen zählen würde, die diese Augen umrahmt hatten wenn er lachte. Hinter den dünnen Liedern bewegten sich seine Augen unruhig von rechts nach links und wieder nach rechts. Ein Zeichen, dass er trotz Bewusstlosigkeit noch bei mir war.

Ich gab mir einen Ruck. Pater Georg hatte Recht. Ich würde spüren wenn der Moment gekommen war. Und wissen was ich tun muss. Stunden hatte ich mit mir gerungen. Ich hatte solche Angst, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen; den Willen zum Leben. Gebetsfetzen schossen mir durch den Kopf. Er würde ja nicht ins Nichts verschwinden. Sich einfach auflösen. Da waren doch Hände, die ihn auffangen würden. Welches Recht hatte ich, ihn hier festzuhalten auf der Erde, wo ihn doch etwas nachhause rief. Musste das nicht so viel schöner und besser sein, zum lieben Gott zu gehen? Gleichzeitig war da die andere Stimme, die Stimme, die sagte: Er ist mein Freund, meine große Liebe; ich will ihn nicht sterben sehen. Im Krankenhaus hatte ich versprochen, auch dann bei ihm zu sein, wenn er sterben sollte - und dafür musste ich ihn jetzt loslassen. Jetzt.

Jetzt. Der Moment war gekommen. Er war bereit zu gehen. Langsam drehte ich seine Hand, so dass seine Arminnenseite zu sehen war. Ich zögerte. Musste mich zusammenreißen um nicht zu weinen. Ich fuhr mit der Hand über seinen Arm. So als wolle ich die Fläche glatt streichen und von Unebenheiten befreien. Die Adern schienen blau und gut erkennbar durch die dünne Haut. Ich konnte seinen Puls fühlen am Handgelenk. Er flatterte, als wolle er sich sogleich in die Luft erheben und davonfliegen.

Langsam und ungelenk begann ich mit meinem Finger auf seinen Arm zu schreiben: "Ich liebe dich und du darfst gehen. Pass einfach auf mich auf, wenn du im Himmel angekommen bist!"

Ich wusste, dass er es verstehen würde. Er hatte immer verstanden, was ich schrieb.

Dann atmete ich tief durch und ließ die Tränen kommen.

Ich werde da sein wenn du stirbst
224 Seiten
ISBN 978-3-629-02174-8
€ 14,95 [D]
Erscheinungsdatum: 19.03.2008

Hier klicken für mehr Informationen zum Buch und Online-Bestellung